Koordination:
G. Schneider, Graz
Unter Mitarbeit von:
W. Brandtner, Ried
G. Lechner, Wien
W. Oser, Feldkirch
H. Pokieser, Wien
F. Schmid, Graz
P. Sevelda, Wien
M. G. Smola, Graz
G. Wolf, Wien
Problemstellung
Die Untersuchungsfrequenz (1992) ist derzeit in Österreich im Sinne einer ausgewogenen Vorsorge sicherlich als unterentwickelt zu bezeichnen. Einer Mammographie und einer ärztlichen Untersuchung unterziehen sich im Alter zwischen 35 und 65 Jahren in Österreich nur 5% der Frauen am Land und 20% der Frauen im Bereich der Städte. Außerdem kommen die meisten Frauen zur Erstdiagnose schon mit einem tastbaren Befund. Vor 10 Jahren war der typische Altersgipfel des Mammakarzinoms in der Altersgruppe zwischen 55 und 60 Jahren . Zur Zeit stellen wir eine deutliche Zunahme in der Altersgruppe zwischen 45 und 50 Jahren fest. 1 von 9 Frauen entwickelt im Laufe ihres Lebens ein Mammakarzinom.
Ziel
1. Über eine verstärkte sachlich Information soll mehr Aufklärung über den Brustkrebs und ein Angstabbau erreicht werden. Nicht zuletzt soll das Umfeld verbessert werden, wie einheitliche Bezahlung der Mammographie, psychologische Betreuung und Organisation der landesbezogenen Rehabilitation. Parallel dazu sollte das Verständnis für die primäre Prevention von Risikogruppen erarbeitet werden.
2. Die Entdeckung von FRÜHKARZINOMEN als invasive oder nicht invasive Karzinome, die kleiner als 1 cm sind und noch keinen Befall der regionalen Lymphknoten aufweisen, um die Gruppe der Patientinnen mit der besten Prognose zu vergrößern.
Einleitung:
Derzeit befinden sich in Österreich ca. eine Million Frauen im untersuchungsnotwendigen Alter. Pro Jahr werden österreichweit zur Zeit jedoch nur 100.000 Mammographien durchgeführt. Ab sofort wäre die ca. 2-3 fache Zahl an Mammographien unter Ausnützung der vorhandenen Kapazitäten möglich.
Aufteilung der durchgeführten Mammographien (nach Alter, 1992):
- 30 Jahre 8 %
- 30-40 Jahre17 %
- 40-50 Jahre31 %
- 50-60 Jahre24 %
- 60 Jahre20 %
Das Mammakarzinom wird meist schon bald nach seinem Entstehen zu einer systemischen (metastasierenden) Erkrankung. Eine Vielzahl der erst klinisch feststellbaren Karzinome befinden sich aufgrund ihrer Größe bereits in diesem Stadium. Eine wirkliche Heilung kann nur dann erreicht werden, wenn die Diagnose des Mammakarzinoms so früh erfolgt, daß aufgrund eines nicht palpablen (nicht tastbaren=subklinischen) Tumors noch keine Metastasierung erfolgt ist. Der Immunmechanismus ist meist noch intakt, sodaß eine eventuelle Mikrometastasierung beherrscht werden kann.
Korrelation Tumorgröße/ Lymphknotenmetastasen
- 1 cm10 %
- 1-2 cm20 %
- 2-5 cm50 %
- 5 cm60 %
Früherkennung
Mit der Mammographie können die meisten Karzinome lange vor einer klinischen Feststellung entdeckt werden. Diese so diagnostizierten Karzinome erfüllen die Voraussetzungen für die beste PROGNOSE und eine eventuelle Heilung.
UNTERSUCHUNGSMETHODEN
für die Brustdiagnostik
1. klinische Untersuchung (Inspektion und Palpation)
- Durch klinische Untersuchung werden 5-10 % der Mammakarzinome entdeckt, die mammographisch dem Nachweis entgehen
- der Anteil der nur klinisch aufgedeckten Frühkarzinome ist sehr klein,
- palpable Tumoren werden klinisch in nur ca. 60 % richtig als Karzinome erkannt
2. Mammographie
Derzeit die einzige bildgebende Methode, die in der Lage ist, einen signifikant hohen Anteil nicht tastbarer Karzinome zu entdecken. Tumorverdichtungen können bis zu einer Größe von 2-3 mm, Mikroverkalkungen bis zu einer Größe von 0,1 mm dargestellt werden.
Manche Patientinnen haben Angst vor der Kompression der Brust bei der Mammographie. Die Vorteile einer gut komprimierten Brust sind eine gleichmäßige Belichtung, ein schärferes Bild und eine geringere Strahlenbelastung. Bei Aufklärung der Patientin über die Notwendigkeit der Kompression und bei Rücksicht der einstellenden Assistentin auf die individuelle Empfindlichkeit der Patientin erreicht man eine fast 100%ige Toleranz der Kompression. Eine Tumorzellverschleppung durch Kompression ist durch keine bisherige Untersuchung erwiesen.
Die große Treffsicherheit der Mammographie (ca.90%) wird aber nur unter folgenden Bedingungen erreicht:
- Moderner Standard des Röntgengerätes (beweglicher Raster, Fokus 0.3 mm)
- Optimale Film/Folien Kombination und Filmentwicklung
- Genügend Erfahrung und Gewissenhaftigkeit des Befunders
Strahlenrisiko:
ist bei modernen Geräten mit 1-2 mGy (100-200 mrad) pro Mammographie vernachlässigbar klein; derzeit 100.000 Mammographien in Österreich pro Jahr
Vergleichbares Risiko einer Mammographie:
Genuß einer Zigarette
Konsum einer halben Flasche Wein
6 Monate natürliche Strahlenbelastung
2 Stunden Autofahren
Nutzen
bei Screening von 100.000 Mammographien Entdeckung von 600 bis 1.000 Karzinomen (meist Frühkarzinome)
3. Sonographie
Der Brustultraschall ist eine Zusatzuntersuchung und hilft in bestimmten Fällen den klinischen und mammographischen Befund zu vervollständigen bzw. die Diagnosefindung zu ermöglichen. Der Brustultraschall hat keine Berechtigung als alleinige Untersuchungs- oder Screeningmethode, da nur in ganz seltenen Fällen Frühkarzinome diagnostiziert werden, wenn Mammographie und Klinik negativ sind. Auch Farbdopplersonographie ist derzeit in ihrer Aussage nicht wesentlich spezifischer. Am sinnvollsten wird der Ultraschall im Anschluß an die Mammographie eingesetzt.
Der Hauptwert des Ultraschalls liegt in der Unterscheidung zwischen soliden und zystischen Prozessen, wodurch bei Vorliegen einer Zyste in vielen Fällen eine Biopsie vermieden werden kann (nur Punktion). Der selektiv ergänzende Einsatz der Sonographie kann und wird in diesen Fällen die Anzahl der Biopsien verringern und den diagnostischen Entscheidungsprozeß erleichtern.
Weitere Vorteile des Ultraschalls:
- Vervollständigung der Diagnose bei mammographisch dichten Brüsten
- bessere Darstellung von Läsionen im äußersten Randbereich der Brust und in der Axilla
- Beurteilung einer Abszedierung bei Mastitis
- kurzfristige Kontrollen bei jungen Patientinnen sowie
- ultraschallgezielte Punktion
Basis der Brustdiagnostik:
Jede Mammographie muß mit einer klinischen Untersuchung (Palpation und Inspektion) gekoppelt sein und bildet gemeinsam mit der Anamnese (Risikoerhebung) die Basis der Brustdiagnostik.
4. Punktionszytologie
In manchen Diagnostikzentren werden gezielte Punktionen von soliden Läsionen durchgeführt, wobei auch ein stereotaktisches Gerät verwendet werden kann. Ist der zytologische Befund der Läsion bösartig, so kann mittels Doppelkanüle dieser Herd für den Chirurgen mit Tusche markiert werden. Bei den Sure-Cut-Nadelbiopsien kann man neben der histologischen Aufarbeitung des Stanzzylinders auch die Hormonrezeptoren bestimmen. Die Sure-Cut-Biopsie könnte zunehmende Bedeutung bei der weiteren Abklärung von unklaren Mammascreeningbefunden bekommen.
5. Computertomographie
CT ist ungeeignet für die Diagnose von nicht tastbaren kleinen Karzinomen; die Strahlenbelastung und der Zeitaufwand sind größer als für die Mammographie. Die CT wird selektiv für die Rezidivdiagnostik und für die Therapieplanung verwendet.
6. MR (Kernspintomographie
Seit der Einführung des Kontrastmittels in der Kernspindiagnostik ist es möglich, Karzinome durch Kontrastmittelaufnahme zu entdecken. Läsionen, die kleiner sind als die Schichtdicke (zB. 5 mm), und Mikrokalke (oft ein wichtiger Hinweis für Malignität) entgehen dem Nachweis.
Derzeit ist die Anzahl der MR-Geräte in Österreich zu klein, um einen Einsatz bei Routine- oder Screening-Untersuchungen zu erlauben. Die Untersuchung ist kostenintensiv und zeitaufwendig. In speziellen Fällen kann die MR vom Radiologen als ergänzende Untersuchung vorgeschlagen werden.
7. Digitale Mammaradiographie
Der größte Fortschritt in der Brustdiagnostik dürfte in Zukunft von der digitalen Radiographie zu erwarten sein. Durch weitgehende Eliminierung von Streustrahlen und Erzeugung von hochauflösenden Bildern mit Computermanipulation ist schon heute eine fast ausreichende Diagnostik möglich. Allerdings ist die Auflösung der Röntgenmammographie derzeit noch besser, das gilt insbesondere für die in der Frühkarzinomdiagnostik wichtigen Mikroverkalkungen.
8. Thermographie
Diese Methode ist für die Diagnose von Frühkarzinomen durch ihren hohen Anteil an falsch negativen Befunden ungeeignet. Die Thermographie wird kaum noch durchgeführt.
Screening
Mit der bisherigen normalen Mammadiagnostik wird man nur einen kleinen Anteil der Frühkarzinome aufdecken, weil es sich fast immer nur um eine Abklärung aufgrund klinischer Symptome handelt. Nur ein Screening von asymptomatischen Frauen kann einen entscheidenden Anteil der Frühkarzinome erfassen. Screening ist die Suche nach einer bestimmten Erkrankung bei asymptomatischen oder scheinbar gesunden Personen.
In 4 großen Screening-Studien (HIP-Studie/USA, BCDDP/USA, Holland- und Schweden Studie) wird demonstriert, daß die Mammographie den Brustkrebs in einem früheren Stadium aufdecken kann und daß durch die Brustscreeninguntersuchungen sowohl die šberlebenszeit deutlich verlängert als auch die Sterberate des Mammakarzinoms gesenkt wurde. Die in diesen Studien nachgewiesene Sterberatesenkung beträgt zwischen 30 und 43%.
Die so festgestellte Sterberatensenkung gilt für Frauen über 50 Jahre. Für die Auswertung der Frauen unter 50 Jahre war die Fallzahl zu gering, respektive waren die Frauen nicht bereit, sich bei Wissen um die Vorsorge, in die Kontrollgruppe einordnen zu lassen. Es gibt jedoch eine Reihe von Studien, die eine Sterberatensenkung auch für Frauen unter 50 Jahren wahrscheinlich machen.
Screening in Österreich
Ein österreichweites flächendeckendes Screening Programm der gesamten weiblichen Bevölkerung zwischen 40 und 70 Jahren wäre derzeit nicht durchführbar:
- die Kapazität der Untersuchungsstellen ist dafür zu gering
- die Kosten wären zu hoch
- die gesundheitspolitische Bereitschaft, diese Kosten zu decken, ist derzeit noch nicht vorhanden
Andererseits ist derzeit die Mammographiekapazität zumindest teilweise nur bis 50 Prozent ausgenützt (z.B. in vielen Praxen). Aus diesem Grund sollte man in zunehmendem Maße Frauen ab 40 Jahren dazu bewegen, sich in ein- bis zweijährigen Abständen auch ohne Symptome mammographieren zu lassen. Besonders betrifft das Frauen, die hohen Risikogruppen angehören:
- Mammakarzinom der Mutter und/oder Schwester
- Mammakarzinom der anderen Brust
- histologisch verifizierte Mastopathie mit Atypien
- histologisch verifiziertes lobuläres Carzinoma in situ.
Unabhängig davon sollte sich jede Frau bei Auftreten von Brustveränderungen sofort einer ärztlichen Untersuchung und Mammographie unterziehen.
Neben der Intensivierung der Vorsorge müßten auch regionäre Screeningprogramme eingeleitet werden. Voraussetzung für ein regionales Screeningprogramm -bevorzugt im Raum großer Städte -wäre eine entsprechende Infrastruktur:
- Möglichkeit der Aufarbeitung von Zytologie und Histologie
- ausreichende Kapazität mammographischer Untersuchungsstellen
- Sicherstellung der Bezahlung.
Empfehlung
Durch die Intensivierung der Vorsorge, insbesondere durch den Einsatz der Mammographie , sollte eine deutliche Verbesserung in der Früherkennung des Mammakarzinoms erreicht werden. Nur eine Früherkennung wird eine Verbesserung dieses Krankheitsproblems bringen und das wird zu einer signifikanten Senkung der Sterberate und zu einer tatsächlichen Lebensverlängerung führen.
EMPFEHLUNG ZUR VORSORGE
Ab dem 25. Lebensjahr
- Brustselbstuntersuchung einmal im Monat
- Ärztliche Untersuchung zweimal im Jahr
Zwischen 35. und 40. Lebensjahr
- Basismammographie
Ab dem 40. Lebensjahr
- Mammographie alle 1 bis 2 Jahre
Ab dem 50. Lebensjahr
- Mammographie einmal im Jahr
Bei Auftreten von Brustveränderungen sollte sich jede Frau sofort einer ärztlichen Untersuchung und Mammographie unterziehen.