Koordination:
H. Hausmaninger, Salzburg
H. Samonigg, Graz
Unter Mitarbeit von:
M. Fridrik, Linz
H. Huber, Wien
W. Klocker, Klagenfurt
H. Ludwig, Wien
G. Steger, Wien
Ch. Zielinski, Wien
Problemstellung
Es muß davon ausgegangen werden , daß bei der Mehrzahl operabler Mammakarzinome – in Abhängigkeit vom jeweiligen Tumorstadium – zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine okkulte Mikrometastasierung vorliegt. Dies führte in der Vergangenheit dazu, daß trotz bestmöglicher lokaltherapeutischer Verfahren (Operation, Strahlentherapie) bei 2/3 der Patientinnen innerhalb von 10 Jahren nach Diagnosestellung Tumorrezidive auftreten.
Ziel
Nach einer verbesserten Frühdiagnostik ist die Anhebung der Heilungschancen des operablen Mammakarzioms vorrangig durch die medikamentöse Ausschaltung der Mikrometastasen erreichbar: Moderne, hormonelle sowie zytostatische adjuvante Therapien führen zu einer Reduktion der Mortalität um etwas 25%. Die Indikationsstellung ist von verschiedenen prognostischen Faktoren abhängig und sollte im Zusammenhang mit internistischen Onkologien erfolgen.
Durch eine präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie kann bei großen Primärtumoren in 80 – 90% eine entscheidende Tumorreduktion und damit häufiger ein brusterhaltendes Verfahren ermöglichst werden. Höchstwahrscheinlich ist damit auch eine Verbesserung der Prognose erreichbar. Im metastasierten Stadium ist durch eine medikamentöse Therapie mit palliativer Zielsetzung in etwa 2/3 der Fälle eine Besserung von Beschwerden und damit der Lebensqualität möglich.
Neben Operation und Strahlentherapie hat sich die medikamentöse Krebsbehandlung als dritte Säule in der Therapie des Mammakarzinoms etabliert. Grundsätzlich kommen als solche Hormone oder Zytostatika in Betracht, immunmodulierende Substanzen (BCG, C. parvum, Interferone etc.) haben außerhalb klinischer Studien in der Mammakarzinombehandlung keinen Stellenwert, nachdem durchgeführte klinische Studien zu durchwegs negativen Ergebnissen kamen. Eine Behandlung mit Tumorhemmstoffen kann sowohl präoperativ (=neoadjuvant), postoperativ (=adjuvant) oder auch in nicht-kurativer (palliativer) Zielsetzung indiziert sein.
Adjuvante medikamentöse Therapie
Ausgangspunkt für Adjuansstudien mit Hormonen oder Zytostatika ist die Hypothese, daß bei fast 2/3 aller Patientinnen zum Zeitpunkt der Operation eine okkulte Mikrometastasierung vorliegt, die durch eine unmittelbar postoperativ durchgeführte medikamentöse Therapie beeinflußbar sein müßte. Tatsächlich konnte im Rahmen weltweit durchgeführter Untersuchungen an mehr als 75.000 Frauen die Rezidivrate deutlich reduziert bzw. die Heilungsrate signifikant verbessert werden.
So führt eine über mehr als zwei Jahre durchgeführte Hormontherapie mit Tamoxifen (Nolvadex) bei über 50jährigen Patientinnen zu einer Reduktion der Rezidivrate um 38% und der Mortalität um 23%. Als Nebeneffekt wird durch eine länger dauernde Hormontherapie das Risiko für das Auftreten eines kontralateralen Mammakarzinoms um 53% vermindert und die Mortalität an kardiovaskulären Erkrankungen signifikant gesenkt.
Durch eine über sechs Monate durchgeführte Standardchemotherapie (z.B. CMF) ist eine Abnahme des Rezidivrisikos um 36% und der Mortalität um 24% bei Frauen unter 50 Jahren zu erwarten. Als Nebeneffekt wurde auch eine Reduktion der bei Tumorpatienten generell zu beobachtenden Neigung zu Zweitmalignomen beobachtet. Allerdings ist die Indikationsstellung für eine adjuvante Hormon- oder Chemotherapie zum Teil schwierig. Neben den patientenbezogenen Kriterien wie Alter und Menopausenstatus, müssen tumorbezogene prognostische Parameter (Tumorgröße, Lymphknotenstatus, Oestrogen- und Progesteronrezoptorenbefund, Proliferationsrate, Onkogenexpression etc.) in den Entscheidungsprozeß einfließen, sodaß die Empfehlung zugunsten einer Nachbehandlung mit Hormonen oder Zytostatika in Zusammenarbeit mit internistischen Onkologen zustande kommen sollte.
Nach Möglichkeit sollten weiterhin alle Patientinnen nach operiertem Mammakarzinom innerhalb laufender klinischer Protokolle behandelt werden, die u.a. auch von der österreichischen äKooperativen Studiengruppe“ angeboten werden.
Neoadjuvante Chemotherapie
Ausgehend von den Erfahrungen in der primären zytostatischen Therapie des inflammatorischen Mammakarzinoms und den günstigen Ergebnissen auch bei anderen Zieltumoren wurden verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen mit einer initialen Chemotherapie auch bei Patientinnen mit größeren operablen Mammatumoren durchgeführt. Es zeigte sich, daß 80-90% aller Patientinnen auf eine Kombinationschemotherapie (z.B. CMF, FAC u.a.) ansprechen, weshalb derzeit innerhalb eines gesamtösterreichischen multizentrischen Protokolls (Studie 7) in randomisierter Form eine präoperative (neoadjuvante) gegen eine konventionelle postoperative (adjuvante) Chemotherapie untersucht wird. Zielsetzung einer neoadjuvanten Therapie ist eine medikamentöse Tumorreduktion und damit die Möglichkeit einer brusterhaltenden Operation, oder auch die Beeinflussung einer bereits vorliegenden Tumorzelldissemination.
Palliative Therapie
Die Behandlungsmöglichkeiten des fortgeschrittenen (metastasierenden) Mammakarzinoms konnten in den letzten Jahren wesentlich erweitert werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Hormontherapie beträgt bei unbekanntem Rezeptorenbefund etwa 30%, bei Positivität sowohl des Östrogen-, als auch Progesteronrezeptors ca. 80%. Hingegen ist eine hormonelle Manipulation bei negativem Rezeptorenbefund wenig aussichtsreich. Bei postmenopausalen Patientinnen gilt Tamoxifen als initiale Standardtherapie, als äsecond-line-therapy“ kommen Aromatasehemmer oder Gestagene in Betracht. In der Palliativtherapie prämenopausaler Frauen hingegen hat eine medikamentöse Kastration mit LHRH-Agonisten die früher häufig durchgeführte chirurgische Ausschaltung der Eierstöcke als ersten Therapieschritt abgelöst. Als Entscheidungshilfe zugunsten einer Hormon- oder Chemotherapie stehen vielfach bewährte klinisch-prognostische Faktoren zur Verfügung (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Indikationen für Hormon- oder Chemotherapie
Günstige Faktoren für Hormontherapie
- Hyperkalzämiesyndrom
- Freies Intervall (>> 2 Jahre)
- Höheres Alter
- Ossärer od. locoregionärer Metastasierungstyp
- langsames Tumorwachstum
Indikationen für Chemotherapie
- Rezeptornegatives Mammakarzinom
- Versagen einer Hormontherapie
- Viszerale Metastasen
Durch Entwicklung neuerer Substanzen mit geringerer Nebenwirkungsrate (wie z.B. Mitoxantron, Epidoxorubicin, Prednimustin u.a.) und deren Einbau in konventionelle Chemotherapie-Schemata konnte in den letzten Jahren die Lebensqualität der behandelten Patientinnen vermehrt Berücksichtigung finden. Die Auswahl der verwendeten Zytostatika und deren Dosierung ist vom Krankheitsverlauf (ähigh-risk -low-risk“), der Psyche und dem Allgemeinzustand der Patientin unter Berücksichtugung der Organfunktionen und schließlich auch von der Erfahrung des Behandlers abhängig zu machen. Sie gehört damit zu den verantwortungsvollsten Aufgaben des internistischen Onkologen. Von einer modernen Kombinationschemotherapie kann beim fortgeschrittenen (metastasierenden) Mammakarzinom eine Ansprechrate von 40-60% mit einer Dauer von 8-10 Monaten erwartet werden, durch Aneinanderreihung sequentieller Therapieschritte gelingt heute eine sinnvolle šberlebensverlängerung bei akzeptabler Lebensqualität zum Teil über mehrere Jahre, statistisch gesehen im Mittel von 12-20 Monaten.
Mögliche Nebenwirkungen bei medikamentöser Therapie
Zytostatische Chemotherapie kann mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen einhergehen. Diese beinhalten am häufigsten šbelkeit und eventuell Erbrechen, Infektneigung, in manchen Situationen Haarausfall, etc. Moderne pharmakologische Methoden können aber viele Nebenwirkungen – vor allem die gefürchtete šbelkeit – meist völlig unterbinden und die gewohnte Lebensqualität in einem Großteil der Fälle erhalten. Bei einmal eingetretenem Haarausfall beginnt der Haarwuchs nach Abschluß der zytostatischen Behandlung.
Bei endokriner Therapie treten im Gegensatz zur zytostatischen Behandlung nur sehr wenig Nebenwirkungen auf. Vor allem Tamoxifen stellt eine an Nebenwirkungen äußerst arme Therapieform dar, bei der es nur in seltenen Fällen zu endocrinen Ausfallserscheinungen (Wallungen etc.) kommen kann. Dementsprechend werden beim metastasierenden Mammakarzinom – wenn möglich – in den meisten Fällen zuerst endokrine Therapieformen verwendet und erst bei Krankheitsprogredienz eine zytostatische Chemotherapie eingeleitet.
Zusammenfassung
Die Prognose von operierten Patientinnen mit Mammakarzinom kann heute in signifikanter Weise durch Chemo- oder Hormontherapie verbessert werden. Selbst im metastasierenden Stadium können durch Maßnahmen der internistischen Krebstherapie langfristige palliative Therapieeffekte erreicht werden. Die Entscheidung zugunsten einer Hormon- oder Chemotherapie stellt jedoch in Abwägung eines möglichen therapeutischen Benefits und der zu erwartenden Toxizität der Behandlung eine verantwortungsvolle Aufgabe dar, die eine enge Zusammenarbeit mit internistischen Onkologen erforderlich macht.