Consensus-Bericht Kolorektalkarzinom

14. Chirurgische Therapie synchroner und metachroner Metastasen

Koordination:
G. R. Jatzko, St. Veit/Glan
R. Margreiter, Innsbruck

Unter Mitarbeit von:
H. J. Mischinger, Graz
J. Smolle-Jüttner, Graz

Problemstellung

Mit dem synchronen oder metachronen Auftreten von Fernmetastasen (Leber, Lunge, Knochen, Gehirn) muß bei kolorektalen Karzinomen in bis zu 30% gerechnet werden. 10-15% aller Patienten mit einem kolorektalen Karzinom weisen zum Operationszeitpunkt synchrone Metastasen auf. Diese können bei solitärem oder singulärem Befall der Leber in bis zu 20% simultan mit dem Primärtumor reseziert werden, bei ausgedehnter Metastasierung oder anderer Organlokalisation, etwa in der Lunge, nach einem Intervall von etwa 8-12 Wochen. Beim Auftreten von metachronen Metastasen hängt die Prognose nach Leber- oder Lungenresektion weitgehend von der Dauer des krankheitsfreien Intervalls ab. Ähnliches gilt für das Vorliegen von solitären oder singulären Metastasen anderer Organlokalisationen.Voraussetzung zur simultanen Leberteilresektion ist bei synchronen Metastasen eine komplikationslose R0-Resektion des Primärtumors, bei metachronen Metastasen müssen ein Lokalrezidiv und eine extrahepatische oder extrapulmonale Tumoraussaat ausgeschlossen sein. Die erreichbaren 5-Jahresüberlebensraten nach partieller Leberresektion (R-0-Resektion) werden in der Literatur mit 20 bis 40%, jene nach partieller Lungenresektion mit 15-25% angegeben.

Lebermetastasen

Obwohl das Gesamtüberleben des kolorektalen Karzinoms in den letzten Jahren zugenommen hat, haben Patienten mit der konsekutiven Entwicklung von Lebermetastasen im allgemeinen eine schlechte Prognose. Etwa 10% aller Patienten mit alleinigem metastatischem Befall der Leber kommen für die Leberresektion in Frage.

Die Resektion von Lebermetastasen kolorektaler Karzinome, mit der dieser Tumorentität eigenen kaskadenartigen Metastasierungsweise mit der Leber als erstem Zielorgan, stellt derzeit die einzig wirksame und etablierte kurative Behandlungsmethode dar. Bei einer perioperativen Letalität von deutlich unter 5% ist das operative Risiko als gering einzustufen. Spontanes 5-Jahresüberleben beim Vorliegen von Lebermetastasen ist eher die Ausnahme, während die 5-Jahresüberlebensraten für R-0 resezierte Lebermetastasen kolorektaler Karzinome in der Literatur zwischen 20% und 40% angegeben werden, bei einem rezidivfreien Überleben von 20-25%. Voraussetzung für die Leberresektion ist der Ausschluß einer extrahepatischen Tumorausbreitung und eine ausreichende Leberparenchymreserve. Als gesicherte Prognosefaktoren gelten ein mindestens 1 cm breiter tumorfreier Resektionsabstand und das Tumorstadium des Primärtumors. Eine fragliche Bedeutung wird dem Tumorgrading, dem präoperativen CEA-Spiegel, den Charakteristika der Lebermetastasen in Bezug auf Größe, Anzahl, monolobärem bzw. bilobärem Auftreten, dem Anteil tumorbefallenen Parenchyms und dem Intervall bis zum Auftreten der Metastasen zugeschrieben. Bei präoperativ erhöhtem CEA-Spiegel kann eine kurative Resektion nur dann als gesichert gelten, wenn der CEA-Wert postoperativ auf den Normalwert abfällt. Bedeutung kommt der Wahl des Operationszeitpunktes zu. Grundsätzlich sollte ein Inoperabelwerden durch ein langes Zuwarten verhindert werden, während man bei multiplen Läsionen durchaus ein bis zwei Monate zuwarten kann, um vor allem das biologische Verhalten der Metastasen beurteilen zu können.

Ob eine prä- oder postoperative, systemische oder regionale Chemotherapie, oder eine peri- oder postoperative Immuntherapie eine zusätzliche Prognoseverbesserung bewirken können, ist bislang nicht endgültig geklärt. Bei extrahepatischer Tumormanifestation ist eine Leberresektion nur dann indiziert, wenn durch diese eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität erwartet werden kann. Aufgrund rezenter Daten scheint auch eine nochmalige Resektion von Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms sinnvoll zu sein. In einer Multicenter-Studie wurde ein 5-Jahresüberleben von 31% sowohl für Patienten mit Kolon- als auch Rektumkarzinom berichtet.

Lungenmetastasen

Fortschritte in der Thoraxchirurgie und insbesondere in der Thoraxanästhesie haben die Resektion von Lungenmetastasen in den letzten Jahrzehnten zu einem gut standardisierten und risikioarmen Eingriff gemacht. Parallel zu der damit einhergehenden Zunahme potentiell behandelbarer Patienten wuchs die Diskussion darüber, welche Patienten bei welchem Tumor in welcher Krankheitsphase von der Metastasenchirurgie der Lunge profitieren würden und welchen man dagegen den nicht völlig unbelastenden Eingriff im Interesse der Lebensqualität ersparen könnte.

Grundsätzlich gelten – wie auch sonst in der Metastasenchirurgie – die basalen Auswahlkriterien: Lokale Beherrschbarkeit des Primärtumors und funktionelle Tolerabilität des Eingriffs. Syn- oder metachrone Lebermetastasierung stellt eine relative, andere Metastasenlokalisationen eine absolute Kontraindikation für einen pulmonalchirurgischen Eingriff dar.

Nachdem in den Anfangsjahren der Lungenmetastasenchirurgie nur Patienten mit solitären Herden und langem tumorfreien Intervall für die Resektion in Frage gekommen waren, wurde mit der besseren technischen Standardisierung die Indikation ausgedehnt: Auch bei synchroner bzw. multipler, bilateraler Aussaat wurde pulmonal metastasektomiert, zum Teil unter erheblicher Parenchymresektion bis hin zur Pneumonektomie. Die – überaschend günstigen (15-25% 5-Jahresüberlebensrate) – Ergebnisse sind mit Zurückhaltung zu interpretieren, da die Statistiken fast ausnahmslos breit gestreute, schlecht stratifizierte Kollektive umfassen.

Heute hat sich die Indikationsbreite zwischen den Extremen eingependelt: Obwohl solitäre Herde bei langem tumorfreiem Intervall noch immer die klarste Indikation für die Lungenmetastasenresektion darstellen, ist auch Multiplizität bzw. Bilateralität keine Kontraindikation per se. Die zahlenmäßige Grenze für eine sinnhafte Intervention ist von Fall zu Fall abzuwägen, meistens liegt sie bei fünf computertomographisch nachweisbaren, lokal potentiell resektablen Herden. Die Tatsache, daß das CT die Zahl pulmonaler Herde um 20-30% unterschätzt, ist dabei berücksichtigt. Auch Synchronizität der pulmonalen Metastasierung ist kein absoluter Ausschlußgrund. Allerdings werden heute an fast allen Zentren bei synchroner Aussaat nur solitäre pulmonale Läsionen reseziert. Die therapeutische Intention des Eingriffs ist immer kurativ. Palliative „Metastasenreduktion” hat für den Patienten keinen positiven Effekt.

Technisch kann fast immer die Metastasektomie ohne Lappenresektion eingesetzt werden: In einem Sicherheitsabstand von 0,5 bis 1 cm von der Oberfläche der Metastase wird entweder mit dem Klammernahtgerät gestapelt oder mit dem Kauter unter schrittweiser Ligatur kleiner Bronchien und Gefäße vorgegangen, wobei letztere Methode mehr Parenchym erhalten hilft als die Klammernahttechnik. Voraussetzung ist eine genaue Palpation des kollabierten Lungenparenchyms. Bei bilateralen Herden kann die Sternotomie als Zugang gewählt werden: Sie erlaubt eine gute Exploration beider Pleurahöhlen und die Resektion pulmonaler Expansionen mit einer Ausnahme: Herde in den dorsalen Abschnitten des linken Unterlappens sind sehr schwer bis kaum erreichbar. Deren erzwungene Resektion über Sternotomie, ist vom onkologisch-chirurgischen Standpunkt aus fast immer suboptimal. Das maximale Resektionsausmaß sollte nie das der Lobektomie übersteigen.

Infolge der fehlenden Möglichkeiten exakter Palpation stellt die videoendoskopische Technik keine akzeptierte Methode für die Therapie pulmonaler Metastasen dar. Ihr Einsatz beschränkt sich auf die diagnostische Verifikation von metastasenverdächtigen Herden.

Insgesamt ist bei sorgfältiger Indikationsstellung mit einer 5-Jahresüberlebensrate von etwa 20% zu rechnen, wobei kein Unterschied zwischen Primärtumoren im Rektum bzw. Kolon besteht. Die Komplikationsrate beträgt in verschiedenen Serien zwischen 0,5 und 3%, die Letalität liegt bei 0,8%.

Zusammenfassung

Die Resektion von Leber- und Lungenmetastasen kolorektaler Karzinome stellt derzeit die einzig wirksame und etablierte kurative Behandlungsmethode dar. Bei einer perioperativen Letalität von deutlich unter 5% ist das operative Risiko als gering einzustufen. Spontanes 5-Jahresüberleben beim Vorliegen von Leber- oder Lungenmetastasen ist eher die Ausnahme, während die 5-Jahresüberlebensraten für R-0 resezierte Leber- und Lungenmetastasen kolorektaler Karzinome in der Literatur zwischen 20% und 40% bzw. 15 und 20% angegeben werden.

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