Consensus-Bericht Kolorektalkarzinom

4. Klinik und Operationsindikationen

Koordination:
G. J. Krejs
H. R. Rosen

Unter Mitarbeit von:
R. Jakesz, Wien
G. R. Jatzko, St. Veit/Glan
R. Schiessel, Wien
M. G. Smola, Graz

Problemstellung/Ziel

Das kolorektale Karzinom neigt zu einem späten Zeitpunkt des Krankheitszustandes zur Entwicklung von Symptomen. Diese sind eher unspezifisch. Differentialdiagnostisch müssen sehr oft eine Reihe anderer Erkrankungen, wie Divertikulose, Hämorrhoiden, entzündliche Darmerkrankungen, etc., abgeklärt werden. Bei der Diagnosestellung „Karzinom“ stellt die chirurgisch-radikale Resektion zur Zeit die einzig mögliche kurative Therapiemodalität dar. Es sollte daher immer die onkologisch adäquate Resektion angestrebt werden. Die Operationsstrategie muß jedoch vom Zustand des Patienten zum Diagnosezeitpunkt (akut/elektiv) abhängig gemacht werden.

Klinik

Kolonkarzinome wachsen im allgemeinen langsam und können bereits drei bis fünf Jahre bestehen, bevor Symptome auftreten.

Da die Tumoroberfläche kein Epithel hat, kommt es zu einem ständigen Hinaussickern von Plasma und Blut ins Lumen des Kolons. Dies kann sich entweder durch einen positiven Test auf okkultes Blut im Stuhl äußern (siehe Kapitel „Screening“), oder kann zu sichtbarem rektalem Blutabgang oder zu einer hypochromen Anämie mit Blässe, Müdigkeit und Leistungsabfall führen.

Da der Stuhl im rechten Kolon noch dünnflüssiger ist, werden dort die Tumore oft größer als im linken Kolon, bevor es zu Obstruktionszeichen kommt.

Im linken und distalen Kolon kommt es eher zur Obstruktion mit krampfartigen Bauchschmerzen, Blähungen und veränderten Stuhlgewohnheiten. Ein Alternieren von Verstopfung und Diarrhoe wird, obzwar als sehr typisch bezeichnet, nur gelegentlich beobachtet. Beim Rektumkarzinom findet sich manchmal der Abgang von reinem Schleim.

Eine seltene Erstmanifestation eines Kolonkarzinoms, besonders im rechtsseitigen Kolon, ist eine Intussusception (Invagination), wobei es zu einem vollständigen Darmverschluß und einer oftmals für den Patienten günstigen frühzeitigen Operation kommt. Manchmal wird das Kolonkarzinom erst bei Metastasierung festgestellt, die sich z.B. durch Gewichtsverlust bei fortgeschrittenem Tumorstadium, oder Rückenschmerzen bei Knochenbefall, bemerkbar macht. Ein Einwachsen eines Rektumkarzinoms in die Blase kann zu dysurischen Beschwerden und Haematurie führen. Über die Bedeutung einer positiven Familienanamnese und des Bestehens einer Colitis ulcerosa oder anderer Hochrisiko-Situationen wird anderweitig in diesem Consensuspapier berichtet.

Bei der physikalischen Untersuchung können weniger als 10% der Kolorektalkarzinome durch rektale Palpation erfaßt werden. Ansonsten finden sich gelegentlich ein palpabler Tumor im Abdomen oder Meteorismus und gesteigerte Darmgeräusche bei einer partiellen Obstruktion.

Die Symptome bei Kolonkarzinom sind meist nicht spezifisch und müssen differentialdiagnostisch von einer Reihe anderer Erkrankungen abgegrenzt werden, wie z.B. irritables Darmsyndrom, Divertikulose, entzündliche Darmerkrankungen, Polypen und Haemorrhoiden.

Operationsindikation

Da im allgemeinen die einzige Chance auf Heilung zur Zeit in einer vollständigen, radikalen Entfernung des tumortragenden Darmanteiles mit seinem Lymphstromgebiet besteht, ist die Indikation zum chirurgischen Vorgehen in fast allen Fällen von kolorektalem Karzinom gegeben. Eine gewisse Ausnahme stellt der maligne Kolonpolyp dar, der bei bestimmten Kriterien (siehe dort) auch die bloße endoskopische Schlingenabtragung als definitive Therapie erlaubt. Grundsätzlich muß zwischen der elektiven und akuten Indikation hinsichtlich der operativen Strategie unterschieden werden. Während beim elektiven Vorgehen die standardisierte Darmvorbereitung bzw. die ultrakurze Antibiotikaprophylaxe obligate Maxime zur erfolgreichen Reduzierung postoperativer Komplikationen sowie akzeptabler Infektionsraten darstellt, muß ein akutes Vorgehen in Folge tumorassoziierter Komplikationen anderen Richtlinien folgen.

Der elektiv vorbereitete und antibiotisch abgeschirmte Patient kann in der Regel nach den onkologisch-chirurgischen Richtlinien operiert und mittels primärer Anastomose rekonstruiert werden (Operationsstrategien für das Kolon- und Rektumkarzinom siehe unter den entsprechenden Kapiteln). Organüberschreitende Eingriffe mit Mitentfernung benachbarter Organe können unter diesen Umständen zum Teil technisch problemlos (z.B.: Dünndarm, weibliches Genitale) und ohne Vergrößerung der Komplikationsrate durchgeführt werden. Aufwendigere organerweiternde Eingriffe (z.B. Nephrektomie, Duodenalresektion) müssen in Abhängigkeit von der individuellen Patienten- und Tumorsituation entschieden werden. Grundsätzlich ist jedoch bei standardisierter präoperativer Darmvorbereitung und Antibiotikaprophylaxe eine Mortalitätsrate von weniger als 5% für die elektive Kolonchirurgie zu fordern.

Der durch Tumorobstruktion bedingte, mechanische Dickdarmileus sowie in geringerem Ausmaß die Tumorperforation stellen die häufigsten Indikationen für ein akutes Vorgehen beim kolorektalen Karzinom dar. Beide Krankheitsbilder stellen sehr oft den Endzustand eines lokal fortgeschrittenen Tumorleidens dar und gehen meistens mit einer beträchtlichen Einschränkung des Allgemeinzustandes des betroffenen Patienten einher. Obwohl aus diesen Gründen das onkologisch radikale Vorgehen bei vielen Patienten relativiert werden muß, ist doch grundsätzlich eine Entfernung des tumortragenden Darmteiles anzustreben.

Im Gegensatz zum elektiven Vorgehen muß die Indikationsstellung zur primären Rekonstruktion im Hinblick auf die meist vorliegende massive intraluminale und/oder intraperitoneale Verunreinigung kritisch betrachtet und individuell entschieden werden. Während bei rechtsseitiger Lokalisation des Karzinoms auch im Ileus oder nach Perforation in Folge der guten Durchblutungssituation des Dünndarmes eine primäre Anastomose mit einer geringen Komplikationsrate behaftet ist, muß die Rekonstruktion bei linksseitigen Kolon- bzw. Rektumkarzinomen vorsichtiger betrachtet werden. Die Möglichkeit der subtotalen Kolektomie mit Ileosigmoideostomie oder Ileorektostomie kann grundsätzlich in diesen Fällen zur Anwendung kommen, ist jedoch mit einer relativ hohen Morbidität (hohe Stuhlfrequenzen) assoziiert.

Ebenso besteht technisch die Möglichkeit der i.op. Darmreinigung („on table Lavage“), welche die Chancen für eine primäre Anastomose erhöhen. Diese beiden Operationsmodalitäten sind jedoch ebenso mit einer Verlängerung der Operationsdauer vergesellschaftet, sodaß die Indikationsstellung zu diesem Vorgehen unbedingt in Abhängigkeit vom Gesamtzustandsbild des Patienten (Alter, Begleiterkrankung, Peritonitis, Elektrolytentgleisung, etc.) zu treffen ist.

Das mehrzeitige Vorgehen mit Ausleitung beider zu anastomosierenden Darmenden als Stomata oder Anlage einer Hartmann´schen Situation stellt in vielen Fällen – nach erfolgter Tumorentfernung – eine deutliche Verringerung des postoperativen Risikos für den Patienten dar und sollte vor allem für den multimorbiden Risikopatienten als Mittel der Wahl vorgezogen werden.

Die Tumorblutung stellt im Gegensatz zur Divertikelblutung selten eine Indikation für ein akutes chirurgisches Vorgehen dar. Die zum Diagnosezeitpunkt klinisch manifeste Tumoranämie läßt sich in fast allen Fällen durch geeignete Substitution derart kompensieren, daß ein elektives Vorgehen unter dem o.a. Aspekt möglich ist.

Ein konservatives Vorgehen bei tumorassoziierter Komplikation sollte nur ausgewählten Patienten, die infolge Begleiterkrankungen als inoperabel angesehen werden müssen, vorbehalten bleiben. In diesen Fällen hat sich sowohl zur Blutstillung als auch zur palliativen Tumordestruktion bei drohender Ileusgefahr die Laservaporisation als Palliativmethode bewährt.

Zusammenfassung

Das Kolonkarzinom gehört grundsätzlich zu jenen Tumoren, die relativ spät symptomatisch werden. Neben der chronischen Anämie stellen unspezifische Beschwerden, wie Bauchschmerz und Veränderungen der Stuhlgewohnheiten die Hauptsymptome dar. Die chirurgisch-radikale Entfernung des Tumors nach standardisierten onkologischen Richtlinien ist das Mittel der Wahl und sollte bei fast jedem Patienten zur Anwendung kommen. Lediglich bei akut einsetzenden, tumorassoziierten Komplikationen, wie Ileus oder Perforation, muß diese Maxime relativiert werden. Es sollte jedoch auch hier in den meisten Fällen zumindest die Entfernung des tumortragenden Darmteiles angestrebt werden. Die Rekonstruktionsmodalität muß von der individuellen Patientensituation abhängig gemacht werden. Ein nicht chirurgisches Verfahren (z.B. Laser) sollte nur einzelnen Patienten, die infolge ihres Allgemeinzustandes als inoperabel angesehen werden müssen, vorbehalten bleiben.

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